01
11

Piscator 1928

Spektakel in der Stresemannzeit

Sie lebte nicht lange, doch sie ließ niemanden kalt. Neben Bürgerhäusern und einem eleganten Hochbahnhof, umgeben von Parkanlagen und Nachtcafés hob sich der Vorhang einer neuen Bühne. Ein marxistisches Theater, im feinen Westen Berlins, am Nollendorfplatz, hatte der 33 Jahre alte Erwin Piscator vor 80 Jahren erschaffen. Er tobte und agitierte. Ein Kommunist, der die Massen anzog: Herren in Frack oder Smoking erschienen neben Proletariern in derben Stoffen, und zwischen Damen im Abendkleid begehrten Jünglinge in Wandervogelhosen Einlass, um bei der Premiere am 3. September 1927 dabei zu sein. Gezeigt wurde ein Stück von Ernst Toller. Durchsichtige Wände wurden verschoben, zwischen wuchtigen Stahlgerüsten leuchteten Filmbilder auf. Szenen unterlegt mit Musik, unterbrochen von Zwischentiteln hatten eine unmissverständliche Botschaft. Es bestand kein Zweifel, in wessen Sinne hier agitiert wurde. „Doch alle“, konstatierte der sozialdemokratische Vorwärts, „ob Freund oder Feind, gerieten irgendwie in Hitze um dieses neue PiscatorTheater.“

Piscators Agitationsbühne begann ihre Arbeit ausgerechnet zu einer Zeit, als die politische Katastrophenstimmung abgeklungen war. Die Republik hatte sich beruhigt. Nach Kriegsniederlage und Revolution, ………………………………………